Sie baten - Sie bekommen.

Nachdem viele Personen um eine möglichst verständliche Information von Thomas Ly zum Thema Corona-Virus baten, hier nun ein Interview zum Thema vom 20.03.2020.

Herr Ly, wie stehen Sie zur gegenwärtigen Corona-Situation?
Ich sehe im „neuen Corona-Virus“ nicht das Problem.
Es mangelt uns nicht an Spezialisten und Experten. Es fehlt sicher auch nicht an Informationen.
Wir befinden uns leider bereits seit längerem in einer Zeit, in der Wissen mehr und mehr verloren geht. Bezogen auf das aktuelle Thema „Corona“ verwunderten mich viele unterschiedliche Geschehnisse der vergangenen Wochen.

Was meinen Sie damit?
Wissenschaftlich kennen wir die Familie der Coronaviridae bereits seit 60 Jahren sowohl als Infektionen bei Menschen, wie auch in der Tierwelt, wo es das equine CoV (Pferde), das canine CoV (Hunde), das feline CoV (Katzen), das bovine CoV (Rinder) und auch eines bei den Schweinchen gibt.

Die bei Menschen weltweit vornehmlich vorkommenden Coronaviren, welche in manchen Wintern bis zu 30% aller Erkältungserkrankungen zugrunde liegen, heißen z.B. CoV-HKU1, CoV-229E, CoV-NL63 und CoV-OC43. Beim CoV-OC43 hingegen ist sogar bekannt, dass es Nerven infizieren und eine Encephalitis auslösen kann.

Die Symptome reichen von keine, über leichtes Kratzen im Hals, gastrointestinale Probleme (weicher Stuhlgang bis zu Durchfall), bis hin zu – sehr selten – schweren Verläufen mit sogar Todesfolgen.
Üblicherweise verlaufen diese Corona-Infektionen auch ohne Fieber.

Nun entdeckte man zum Jahreswechsel ein neues Mitglied der Familie Coronaviridae, das CoV-ID19, weil es im Jahr 2019 identifiziert wurde.

Ist das nicht ein Grund zur Sorge?
Als Infektologe bewerte ich diesen neuen Erreger erst mal so, wie die mir evidenzbasiert vorliegenden Erkenntnisse zu den anderen Familienmitgliedern. Ich unterstelle nicht erst mal etwas, sondern ich beobachte objektiv, vergleiche und suche nach potentiell neuen Eigenschaften.

Um es plakativ zu sagen, unterstelle ich bei einem neuen Wurf von Dackelwelpen ja auch nicht einem der Welpen von vorneherein, sich zu einem „Killerköter“ zu entwickeln, nur weil sein Fell eine Nuance in Farbe oder Welligkeit, von dem der anderen Dackelwelpen abweicht.

Aber genau das passiert gerade.

Es kommen seit Jahresbeginn Fachpublikationen auf, in denen Erkenntnisse präsentiert wurden, dass z.B.
- bei den aus China zurückgeholten Deutschen mit einer Infektion, Fieber nicht üblich war
> das wissen wir bei den bekannten anderen Familienmitgliedern wissenschaftlich belegt seit 60 Jahren,

- das neue Virus besitzt ein sog. Spike-Protein zum Andocken an die menschliche Zelle
> auch das wissen wir bei den anderen Familienmitgliedern wissenschaftlich beschrieben seit Jahren,

- man habe den Rezeptor entdeckt
> welcher bei anderen Familienmitgliedern wissenschaftlich belegt kein anderer ist,

- das Virus befällt vornehmlich die oberen Atemwege
> auch das wissen wir bereits seit vielen Jahren und es ist nachvollziehbar, denn das Temperaturoptimum für die Virusvermehrung der Corona-Viren liegt wissenschaftlich nachgewiesen bei 33 – 35°C,

- es auch den Verdauungstrakt befallen kann
> was seine Virenfamiliengeschwister auch seit jeher tun

- Embolien finden sich u.a. in den Lungen von Verstorbenen
> das spricht eher für ein Influenzavirus, wie bereits in der Deutschen Medizinischen Wochenschrift 95/51 aus dem Jahre 1970 beschrieben (siehe DOI: 10.1055/s-0028-1108874)

Alles „Neue“ ist schon lange bekannt, nur offensichtlich nicht mehr im Wissen der Experten vorhanden. Selbst ich habe diese – nicht von mir erarbeiteten - wissenschaftlich belegten Fakten mit Verweis, wiederholt schon vor Jahren publiziert.

Aber richtig sind diese Publikationen in ihrem Ergebnis dann doch, oder?
Ich erachte die öffentliche Darstellung vieler Experten als unredlich.
Es wird im Rahmen dieses neuen Corona-Virus wiederholt öffentlich von „zu erwartenden Toten“ gesprochen. Das gebührt sich nicht für einen Mediziner. Das gebührt sich insbesondere nicht, wenn dann noch einzelne „aktuelle Studien“ zur Begründung vorgetragen werden.
Wir haben heute den 20. März und das Virus ist noch keine 4 Monate alt.
Wissenschaftliche Arbeit ist sehr zeitintensiv und ich würde hier bei derartigen Studien zur zurückhaltenden Bewertung raten.

Aber es geht doch um Menschenleben und sollte man da nicht besonders besonnen agieren?
Es ist unangebracht – nach meiner Auffassung - , wenn Politiker hier derart agieren, wie z.B. Herr MP Weil der wie folgt kürzlich vor die Presse trat in Bezug auf das neue Corona-Virus. Er sagte am 13. März 2020 – ich zitiere:
Vier Fünftel der infizierten könnten so gut wie gar nicht betroffen sein, während ein Fünftel der Bevölkerung mit schweren Verläufen mit richtiger Intensität rechnen müsse“.
Das kann man in der HAZ vom 14. März auf Seite 8 nachlesen.

Ein Fünftel der Bevölkerung Niedersachsens entspricht 1,6 Mio. Menschen, die also von der Landesregierung mit schweren Erkrankungsverläufen in Niedersachsen erwartet werden.

Das ist ein aus meiner Sicht unredlich. Zudem ist es schlichtweg falsch.

Stichwort „Italien“
Ich bin ein Europäer und ich bin auf diese Errungenschaft sehr stolz.
Mir wurde die Frage zum Italienvergleich in den vergangenen Wochen wiederholt gestellt – als potentiellen Nachweis der Gefahr durch das Virus.
Wir reden bei einem – so er denn überhaupt erlaubt ist – solchen Vergleich von Tomaten und Bohnen. Beides Strauchgewächse (ich spreche gerade als Laie auf dem Gebiet und man mag es mir nachsehen) mit direktem Kontakt zum Erdreich und Wasser benötigend.

Italien und Deutschland kann man in Bezug auf dieses Virus nicht vergleichen, denn hierzu müsste man den allgemeinen Gesundheitsstatus der Bevölkerung, den Anteil an armen Menschen, die Altersstruktur und die Strukturierungen der Gesundheitssysteme, die Ausstattung der Kliniken und die Personalstärken im Gesundheitssystem, auf einen Nenner bringen – und das ist sehr schwierig in diesem Vergleichsfall.
Die staatliche Gesundheitsversorgung in Italien ist nicht vergleichbar mit unserer hiesigen.

Ein kurzes Beispiel dazu:
Ich habe vor langer Zeit einmal 2 Jahre in einem kleinen Dschungelkrankenhaus im östlichen Indonesien – auf der Insel Flores - gearbeitet.
Dort musste ich viele Menschen sterben sehen durch einfach behandelbare Erkrankungen. Wir hatten oft einfach die Mittel und Möglichkeiten nicht vor Ort. Wenn wir kein Skalpell hatten, musste der Blinddarmpatient sterben, wenn wir keine Medikamente gegen Würmer hatten, mussten auch Säuglinge sterben, …

Wie bewerten Sie die internationalen zuständigen Behörden?
Schauen wir uns die WHO an. Auch diese internationale Behörde scheint gelähmt zu sein.
Dieses zeigt sich am Beispiel der in Bezug auf das Corona-Virus kürzlich ausgesprochenen Warnung vor dem Einsatz von „Ibuprofen“ – die sie dann plötzlich nach einigen Tagen wieder zurück genommen haben, da hierzu keine Belege gefunden werden konnten.

Alles wirkt ein wenig „panisch“ und „angstbehaftet“. Als Infektologe verlasse ich mich lieber erst mal auf das nachgewiesen vorhandene und wissenschaftlich belegte Fachwissen.

Was empfehlen Sie?
In Bezug auf die gegenwärtigen Maßnahmen hätte ich mir von den Verantwortlichen etwas anderes gewünscht, aber in der gegenwärtigen Situation empfehle ich ein akzeptierendes Mitmachen jedes einzelnen Bürgers.

Für Viele mag es nervig sein, zuhause rumzusitzen. Für mich ist es nervig meine Tochter gegenwärtig ohne ihre Freundinnen und Freunde im leeren Kindergarten zu wissen. Meine Frau versucht in der Klinik täglich den Spagat hinzubekommen, zwischen verschiebbaren und Notfalloperationen zu organisieren, ohne ein Intensiv-Beatmungsbett für einen potentiellen Corona-Patienten nicht freigehalten zu haben.

Es ist keine schöne Situation und dabei hilft es auch nicht – wie durch Herrn Minister Pistorius gerade geschehen - die Polizei durch die Straßen zu schicken. Derartige „Zwangsmaßnahmen und indirekten Drohgebärden der Politik“ erachte ich hier als eher kontraproduktiv und sogar in Teilen als gefährlich.

Haben Sie eine bessere Lösung?
Bei Infektionserkrankungen habe ich stets den aktuellen Patienten und den vermeintlich potentiellen Patienten im Fokus.

In der aktuellen Corona-Thematik hat man es andersherum gemacht und Maßnahmen ergriffen, welche eher unverhältnismäßig sind und die zudem Ängste geschürt haben.
Man hat den Fokus auf die breite Masse gerichtet, welche vornehmlich ja gar keine Probleme bei einer Infektion zu erwarten hat.
Begründet wurde dieses mit dem Schutz der zu schützenden Personenkreise.

Jedoch hat man genau damit die zu schützenden Menschen in eine zusätzliche Gefahr gebracht.
Menschen, die eine Infektion durch dieses neue Corona-Virus gewiss nicht einmal symptomatisch wahrnehmen würden, laufen heute mit einem Mundschutz durch die Gegend und haben zuhause plötzlich Desinfektionsmittel im Gebrauch.

Diese Dinge fehlen nun nicht nur in Krankenhäusern, sondern sie fehlen bei den vielen kranken Menschen, die zuhause leben, in Gemeinschaftseinrichtungen und in Pflegeheimen.

An dieser Stelle krankten die Empfehlungen der Fachleute.

Nehmen wir hierzu das eben schon angeführte Beispiel der Blinddarmoperation.
Wir alle wissen, dass es zu bluten beginnt, wenn wir uns in die Haut schneiden. Ein Chirurg weiß ebenso, dass wenn er in die Haut des Bauches schneidet um an den Blinddarm heran zu kommen, es zu bluten beginnt. Er wird aber aufgrund dieses Wissens nicht für die nächste Blinddarmoperation endlos viele Blutkonserven bestellen. Der Arzt weiß mit derartigen Blutungen umzugehen, er kann sie veröden, sie mit Tamponade stoppen, …

Und ebenso ist es auch in Bezug auf die Behandlung von schweren Erkrankungsverläufen durch u.a. Corona-Viren. Unsere Intensivmediziner haben das Wissen und die Erfahrung, schwerkranke Menschen zu beatmen und zu behandeln.

Wie lautet ihre Prognose in Bezug auf diese Corona-Situation?
Wenn wir in 2 Jahren auf diese gegenwärtige Zeit zurückblicken, dann gehe ich davon aus, dass wir bei der Betrachtung der Sterberate nicht mal einen signifikanten Anstieg beobachten können.

Ihre Worte sind ja bisher auch nur Aussagen. Haben Sie für die wissenschaftlichen Daten Belege?
Ja natürlich habe ich diese.
Meine Vorbringungen zum Corona-Virus kann jeder über die NCBI/Pubmed-Datenbank in den Primärquellen überprüfen (www.ncbi.nlm.nih.gov/mesh)

Was wünschen Sie sich an Veränderungen in der Medizin?
Eine Entschleunigung wäre toll. Nicht alles muss schnell sein, angemessen reicht.
Wir brauchen mehr Platz und Privatsphäre in Krankenhäusern und Praxen.
Es sollte viel mehr Zeit für Arzt und Patient zur Verfügung stehen.
Und wir benötigen eine fundierte Facharztausbildung für Infektologie, denn in der Infektologie reden wir von über 1.000 Infektionserkrankungen durch weit über 2.000 Infektionserreger – das neue Corona-Virus ist nur einer davon…

MDK-forum Artikel über T. Ly (Ausgabe 1/2020)


(20.03.2020 - m/t)

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